Vom Lügner, der versucht, uns zu verwirren
Das Evangelium des 1. Sonntags der Fastenzeit, Lk 4, 1–13. Es ist sehr bekannt, hat die Fantasie der Menschen zu allen Zeiten inspiriert. Sein scheinbares Thema ist der Kampf zwischen Gott und seinem gefallenen Engel, Luzifer. Nach dieser Lesart findet der Kampf in Jesus selbst statt.
Was behauptet der Durcheinanderbringer? Die dreistete Behauptung des vermeintlichen Gegenspielers Gottes lautet, ihm gehörten alle Reiche der Erde (V 6). Aber Gott ist der Urheber aller Schöpfung. Es kann nichts außerhalb von Gott geben, außer, Gott gäbe seine Schöpfung auf. Das ist nicht der Gott Jesu, der Gott, den wir bekennen, allmächtig, allgegenwärtig, allbarmherzig.
Was sagt Jesus? Er rückt das Gottes- und Weltbild des Verführers richtig. Es gibt keinen Kampf Gottes mit den dunklen Mächten bei dem wir, gestresst vor Angst und Unsicherheit, mitzumachen hätten. In seinem öffentlichen Leben, das nach den Versuchungen in der Wüste beginnt, wird Jesus nicht müde, die Wirklichkeit von Gott her zu entschlüsseln. Gott ist der Schöpfer. Gott drückt sich in seiner Schöpfung selbst aus. Er gibt sich selbst in seiner Schöpfung. Er handelt in seiner Schöpfung. Daher kommt unsere Würde. Daher kommen unsere Fähigkeiten, die weit über das Physisch-Menschliche hinausgehen. Jesus sagt, das ist so und handelt so. Was der Einredner von ihm will, ist irrelevant für ihn.
„Der Mensch lebt nicht nur vom Brot.“ (V 4) Jesus hat gefastet, um seinen Geist zu klären, Gott in sich deutlicher wahr zu nehmen, sozusagen seinen Gottessinn zu schärfen. Er sucht die Transzendenz, das jenseits der Materie Liegende. Natürlich hat der Körper Bedürfnisse. Aber selbst der Körper lebt nicht nur vom Brot. Brot kann unseren Hunger nach Leben, nach Gott, nicht stillen. Wenn unsere Seele die Erfahrung Gottes macht, geht es auch unserem Körper gut. Das hat der Feind – jener, der versucht, uns an unserem Weg zu hintern — nicht verstanden.
„Du sollst den Herrn, Deinen Gott, nicht auf die Probe stellen!“ (V 12) Jemanden auf die Probe zu stellen heißt, ihn anzuzweifeln und sich zum Richter über ihn zu erklären. In einen Gott, den wir auf die Probe stellen müssen, finden wir keinerlei Sicherheit mehr. Zu Gott zu sagen: „Beweise mir, dass Du existierst!“ ist genauso wirkungsvoll wie zu einem Menschen zu sagen: “Beweise mir, dass Du mich liebst!“ Wirkungsvoller ist zu sagen: „Ich bin bereit, mich auf Dich einzulassen, bereit, mich mir Dir zusammen, uns, zu erfahren.“
Eine Probe, einen Beweis, für die Liebe, gibt es nicht, aber eine Grundeinstellung, Grundausrichtung. Die Überzeugung, die wir von der Wirklichkeit haben, bestimmt, wie wir uns in ihr bewegen. Wenn die Welt für uns ein Ort ist, in dem Gott sich „versteckt“ hat, wo wir ihn in allem, was wir erleben, entdecken können, wo wir versuchen, zusammen mit ihm die Rätsel des Lebens zu lösen, dann gewinnt unser Leben Tiefgang und Lebendigkeit. Ohne diese Suche finden wir – nichts. „Gottlos“ nennen wir eine Welt, die uns Angst macht, in der wir uns unsicher und einsam fühlen. Wenn wir dies erleben, ist es nicht die Welt, die Gott los ist. Es ist unser Herz, das sich nicht (mehr) traut zu glauben. Es ist dem Lügner, dem Einredner, dem Durcheinanderwürfler, dem Feind, auf den Leim gegangen.
„Vor dem Herrn deinen Gott sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“ Der Weg der Fastenzeit lädt uns ein, wieder Geschöpf zu sein, unsere Liebesbeziehung mit Gott zu stärken. Dienen könnte heißen zu fragen, was für Geschöpfe wir in den Augen Gottes sind. Gott, Vater-Mutter, wie siehst Du die Welt? Wie siehst Du meine Mitmenschen? Wie siehst Du mich? Wie bist Du in der Welt, in der ich lebe?
Ich möchte Sie einladen, in dieser Fastenzeit ihre Wirklichkeit auf die Gegenwart Gottes hin abzutasten, so wie Jesus es in der Wüste getan hat. Das ist gar nicht so schwer, es liegt in unserer Natur. Schwer tun wir uns damit, den Lügner, den Durcheinanderwürfler, den Feind, der uns Herz und Hirn verwirrt, immer wieder zu entlarven, wenn er versucht, unseren Gottessinn zu trüben.
Schwester Rita Kallabis